Ich gebe zu, heute Vormittag hatte ich schon (selbstmitleidig?) beschlossen, dass mein Blog-Beitrag lauten sollte: “Ja, ja, ja, ich gebe es ja zu, “mein-Sofa-meine-Kuscheldecke-mein-Buch” wäre die bessere Wahl gewesen. “
Ich hatte so gar keine Augen für die Schönheit des ehemaligen Treidelpfades entlang des alten Kanals, auf dem der mittig stehende Erpel uns von oben bis unten musterte, als wir vor ihm anhielten, und erst zur Seite ging, als Rainer vorsichtig seine Klingel betätigte. Nicht, ohne empört zu schnattern. Der Erpel!
Auch der Zauber des “Maldon Basin”, ein Mittelding aus Bucht und Flussdelta, hatte keine Chance… Kleiner Trampelpfad, über Stock und Stein, bei Regen… Und Rainers Worte :” Ist schon heftig, so viele Kilometer, so lange und dann so wenige Zentimeter auf der Karte…!” beschreiben den Umstand, dass wir uns auch noch verfahren hatten, sehr gut…
Ich kam erst wieder ein bisschen bei mir selber an, als wir eine trockene, etwas muffige Pause in Gottes Wohnzimmer machten (die Kirche St. Peter’s of Totham, blauer Teppich, schöne Holzbänke, laut tickende alte Wanduhr). Hier sah ich in natura, worüber ich in einem Flyer gelesen hatte:
“Bell ringing”, etwas typisch Englisches! So wie Big Ben verschieden gestimmte Glocken hat, gibt es in Großbritannien 5500 (Kirch-)Türme mit Glocken, die Tonfolgen läuten können, wie z.B. bei royalen Hochzeiten zu hören (im Rest der Welt noch etwa 150 weitere). Die Menschen finden sich in Gruppen zusammen und üben das ” bell ringing” gemeinschaftlich aus. Für dieses Jahr wird zu einem Wettbewerb, einer großen Teilnahme aufgerufen, weil im November landesweit die Glocken erklingen sollen, um an den 100. Jahrestag des Endes des ersten Weltkrieg zu erinnern.
Nach dem nächsten Aufwärts-Wegstück hätten wir uns bei besserem Wetter über herrliche Weitsicht zu beiden Seiten freuen können. So freuten wir uns darüber, dass die Route durch Tiptree führte, “the home of jam and marmelade”! Hier wird seit 133 Jahren die berühmte Marmelade hergestellt.
Und natürlich gibt es einen “Tearoom”! Hier kann man “Cream tea”, ein Gedeck mit Tee, einer Art Rosinenbrötchen, Butter, Marmelade und clotted cream, eine Art süßer Creme fraiche, bekommen. Uij, haben wir geschlemmt!
Am Nachbartisch hatte sich ein Paar ” Afternoon tea” für zwei gegönnt – eine dreistöckige Etagere mit Törtchen, feinem, belegten Toast und Keksen. Als die Frau ihren Mann mit der Pracht fotografierte, kamen wir lachend ins Gespräch. Wir bekamen etliche interessante Tipps, als sie von der Streckenführung unserer Reise hörten. Julie schrieb alles für uns auf und auf meine Bitte hin auch ihre Adresse. So können wir ihr und David erzählen, wenn wir die Orte besucht haben.
Der Regen war inzwischen in feinen Landregen übergegangen und zu unserem B&B war es auch nicht mehr so furchtbar weit. Gut so!
Hier sind wir nun, in einem renovierten, 450 Jahre alten Haus, in abgeschiedener Stille. Grade drängelt sich Lisette an mich: ” Hier spukt es!!”. Ich glaube, ich klettere nochmal die Stiege mit ihr nach unten und zeige ihr, woher die verschiedenen, merkwürdigen Töne kommen… Die Besitzer des Hauses haben nämlich einen Papagei!
Hallo, Ihr Lieben,
obwohl ich ja nicht die große Reisefreundinbin liebe ich es, Deinen Blog zu lesen! Neben den lebendigen und anschaulichen Schilderungen von Land und Leuten nehme ich besonders Anteil an dem, was IHR erlebt. Mit welcher Gelassenheit Ihr die Aufs und Abs (nicht nur der Straßen) bewältigt. Mit Gottvertrauen und Humor habt Ihr ja schon einige Herausforderungen gemeistert. Manchmal bin ich an Hape erinnert: am Ende des Frustweges wartet ein Engel!
Sicher wird diese Reise für Eure Liebe ein neuer Anker sein; wenn das Eheschiffchen mal ins Trudeln gerät werdet Ihr Euch daran erinnern, wie Ihr es mit gegenseitiger Unterstützung (Rainer schiebt dein Fahrrad wenn die Kniee schmerzen, du betüddelst ihn, wenn er krank ist) dann doch geschafft habt!
Für Euren weiteren Weg wünsche ich Euch vor Allem – Liebe: in Euch, zwischen Euch und um Euch herum!
Herzlichst Christine
Herrlich der TipitreeTea Room. Ich erinnere mich noch sehr gut an das kleine angrenzende Museum. Viel Freude weiterhin mit den Erlebnissen und Begegnungen.
Herzliche Grüße Ute