Dies wird nun der versprochene Drei-Tage-Bericht….:
Ich knüpfe mal in Siggjavåg bei Gerd und Asbjørn an, die uns so ein freundliches Willkommen bereitet hatten! Die Behaglichkeit und netten Gespräche wollten auch am folgenden Morgen gar kein Ende nehmen. Es gab wie schon am Abend vorher so viele interessante Gesprächsthemen. Aber irgendwann rissen wir uns los und starteten mitten hinein in Nebel und Regen, aufkommenden Gegenwind und Steigungen in großer Zahl….
(nach den ersten zehn Steigungen in Folge beißt man die Zähne zusammen, Kaugummi hilft, ab fünfzehn muss man innerlich vor jeder Steigung schon gewaltig Anlauf nehmen und ab zwanzig will man einfach nicht mehr…)
Kontinuierlich arbeiteten wir uns voran, der Regen ließ nach und hinterließ klebrige Schwüle.
Und doch, irgendwann erreichten wir Langevåg am Südende der Insel Bømlo und enterten sofort das einzige Café – Planungskonferenz, Haupttagungspunkt: Übernachtung! Obwohl wir alle Register zogen, endete die Sitzung mit der Aussicht auf eine erste Nutzung unseres kleinen Zeltes….aber wenigstens auf die nächste Insel wollten wir noch übersetzen. So brachte uns die Fähre “Sigrid” nach Buavå auf Sveio. Die Fähre verschwand wieder im Nebel und wir standen noch etwas unschlüssig am Anleger, als es wieder anfing, wie aus Eimern zu gießen!
Und nun irgendwo ein ebenes Stück Boden finden und nass in das Zelt kriechen??? “Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!” – wir beschlossen, die Nacht im Wartehäuschen des Fähranlegers zu verbringen! Trocken, mit Blitzableiter und – Toilette!…..
……und mit der orangefarbenen Beleuchtung im Nebel nicht ganz unromantisch!
Ein bisschen mulmig war uns schon. Ob vielleicht jemand nach Betriebsschluss der Fähre zum Abschließen käme? Aber- es gibt nichts Spektakuläreres zu berichten, als dass die ca. 60 cm “breiten” Holzbänke ziemlich unbequem waren…!
Vor der ersten Fähre am folgenden Morgen machten wir uns müde wieder startklar. Immer noch hingen die Wolken bis auf den Boden.
Aber schon bald lichtete sich der Nebel und hinterließ eine deutliche Stille.
Bis mittags hatten wir es bis nach Haugesund geschafft.
Hier nun standen wir an einem Scheideweg: bevor die Norweger Anlauf genommen hatten, Weltmeister im Tunnelbau zu werden, gab es etwas südlich von Haugesund auf dem Nordseeküstenradweg eine Fähre nach Stavanger. Die Betonung liegt auf “gab”, heute gibt es auf der Direktverbindung nur noch mehrere, für Radler verbotene Tunnel. Als Ausweichstrecke soll man den Fjord ostwärts bis Nedstrand umrunden und von dort aus die Fähre nehmen! Das hätte für uns mindestens drei Fahrtage bedeutet. Ermutigt durch mehrere Auskünfte, versuchten wir, die ehemalige Fährstrecke durch einen Bus zu ersetzen. Und siehe da, es war problemlos möglich, das Gepäck, die Räder und uns in den Bus zu laden! Und diese Busfahrt nach Stavanger war auch ein Erlebnis, das wir nicht mehr missen möchten! Sich in einem steilen Tunnel unter dem Meeresboden zu bewegen und in einem sogar einen Kreisverkehr zum Richtungswechsel zu entdecken…. Spacy !
Fähre, Brücken und Tunnel wechselten sich zwischen den Inseln ab, so dass wir innerhalb von zwei Stunden ohne einen Höhenmeter selbst gefahren zu sein, in Stavanger ankamen!
Aus dem Bus aussteigen und mitten hinein in das Zentrum der großen, lebhaften Stadt geraten – wieder ein Weltwechsel! Da es inzwischen hochsommerlich warm war, gingen wir nicht in ein Café zur weiteren Planung, sondern suchten uns im Park ein schattiges Plätzchen. Nach der Buchung einer Unterkunft und der Orientierung auf dem Stadtplan fuhren wir erstmal zum Hafen.
Der Anblick von Kreuzfahrtschiffen ist uns ja spätestens seit Kirkwall sehr vertraut, aber die Masten? Es stellte sich heraus, dass wir das Wochenende vom “Tall Boat Race”, den Start zu einer Hochseeregatta für Traditionssegler erwischt hatten! Gestern sah der Hafen schon so aus:
Dieses schöne Fest – und der Fakt, dass zwei extrem heiße Tage zu erwarten waren, war Anlass genug, unseren Plan, hier zwei Nächte zu bleiben, umzustoßen und das ganze auf vier Nächte zu verlängern. Zum Glück war das auch in unserem Hotel möglich!
Und was gibt es Schöneres, als bei Hitze aufs Wasser zu gehen? Da wir uns tiefe Fjorde nicht erradeln werden, ergriffen wir gleich gestern die Gelegenheit beim Schopfe und bestiegen ein Ausflugsboot in Richtung Lysefjord! Bis zum ” Peikestolen” – ein berühmter, oft abgebildeter, 600 m hoher Felsen – sollte es gehen. Hier ein paar fotografische Eindrücke:
Auch hier sieht man wieder: ohne Fähren, Brücken, Tunnel und natürlich Privatboote geht hier gar nix! Es ist schon bemerkenswert, wieviel explosive Kraft die Norweger entwickeln (müssen), um sich ihre Wege zu bahnen…
Ich höre schon den Aufschrei aller Norwegen-Fans, wenn ich nun die folgenden Sätze schreibe: seit wir hier sind, erschließt sich uns dieses Land nur sehr zögerlich. Wir nehmen durchaus die Großartigkeit und Monumentalität der Landschaft wahr, fühlen uns ihr aber nicht so richtig “gewachsen”. Unser Empfinden ist eher, dass dieses Land sich verschließt und seine Menschen sehr an den Rand drängt.
Ob das der Grund ist, dass wir atmosphärisch viel Verschlossenheit und wenig kulantes Verhalten erleben? (Ausnahmen bestätigen die Regel…!) Besonders nachdem wir zuletzt mit den so ausgesprochen freundlichen und zugewandten Menschen auf den Orkneys und den Shetland Inseln zu tun hatten, sind wir hier über ein Nicht-Grüßen trotz Augenkontakt, häufige Null-Reaktionen von anderen Radfahrern und Autofahrern im Miteinander überrascht. Sicher trägt insgesamt auch zu unserem Empfinden bei, dass wir sehr angestrengt sind und es in der Form nicht erwartet hatten. Bis jetzt haben wir jeden Tag mehr Höhenmeter bewältigt als in den Monaten vorher. Und das, obwohl Norfolk, Yorkshire und Schottland uns auch schon einiges abverlangt haben!
Wir sind auf jeden Fall unglaublich froh, dass wir die Tour im Uhrzeigersinn fahren!! Diese Erlebnisse im ersten Drittel des Abenteuers, bei noch kaltem Wetter, außerhalb der Saison (Unterkünfte) – ich glaube, wir hätten aufgegeben.
Aber zurück in den Lysefjord! Wir haben z.B. gelernt, dass der Fjord im Land fast so tief ist, wie die Berge über ihm aufragen (gute 400 m), an seiner Mündung durch das von der Eiszeit transportierte Geröll etc. aber nur 16 m Tiefe erreicht. Manche Berge an seinem Ufer erreichen sogar 1000 m ü.N.N. Legenden und Sagen wurden erzählt und schließlich der “Peikestolen” von unten bewundert…. (oben an der Kante, etwa mittig der “Würfel”)
Per Zoom lassen sich sogar die Menschen oben ausmachen… Es gibt kein Geländer, aber es ist noch keiner runter gefallen, heißt es.
Diese Fahrt war schon ein beeindruckendes Erlebnis!
Und dann hatte das bunte Treiben in Stavanger uns wieder! Nachdem wir inzwischen das enorm hohe Preisniveau Norwegens akzeptiert haben, gönnten wir uns ein Café in der Fußgängerzone und feierten in Muße den Sommer. Wir freuen uns, dass es sich so ergeben hat, dass wir noch etwas bleiben – die Stadt bietet so vieles, das es zu entdecken gilt! (Z.B. den kreisförmigen Radweg im ersten Stock über einem Kreisverkehr mit viel Verkehr….)
Nicht nur Stavanger, genauso das Land ist es wert, dass man sich auf es einlässt – was wohl noch auf uns wartet? Fest geplant haben wir jedenfalls schon eine Zugfahrt, mehr im Landesinneren, um die allerheftigsten Steigungen in Südwest-Norwergen zu umgehen….